alle Fotos Nele Lipp/Koinzi-Dance, Fotograf: Daniel Kulle |
Erst in der finalen Probewoche, kurz bevor „Die Zelle“ am 20. Oktober auf die Bühne kam, setzten sich alle Mosaiksteine magisch zusammen: Ah, so sieht es also aus!
Denn in den Wochen und Monaten zuvor hatten die Teile des Teams, bestehend aus Kostümbildner, Videokünstler und Komponist, sowie die Choreographin mit den Tänzern parallel, d.h. zwar in enger Abstimmung, aber eben zeitgleich und füreinander „unsichtbar“ an der Realisierung der Performance gearbeitet. Und so hatten wir interessante Überraschungsmomente, wenn wir die fertige Musik zu unseren Tänzen bekamen oder wenn unsere tänzerischen Live-Sequenzen sich auf einmal vor der Videoprojektion zu einem Dialog mit dem Filmgeschehen zusammenfanden.
Dann kurz vor der Premiere, beim Einleuchten und in der Maske wurde mir das Drama des elenden Kraglers (Hauptfigur), der alptraumhaft durch seine Höllen und Sehnsüchte taumelt, gänzlich und eindringlich bewusst. Es hatte eine Weile gebraucht, bis mir die Rolle zu einem kohärenten Aktionsrahmen wurde, in der ich meine Bewegungssprache zwischen expressiver Tanzpantomime und der energetische Spannung wie beim Butoh finden konnte.
Und in den den folgenden neun Abenden auf der Bühne konnten sich diese Feinheiten zudem in den Interaktionen mit den Tanzpartnern weiter verstärken, so dass dieses Stück - obwohl fertig und von Christiane Meyer-Rogge durchchoreographiert - sich in der Aufführungszeit weiter entwickelt konnte.
Sehr aufbauend war zudem prominenter Besuch aus Berlin von Andreas Weidt (Sohn von Jean Weidt) und zwei ehemaligen Tänzern von der „Gruppe Junger Tänzer“, mit denen Jean Weidt bis zu seinem Tod 1988 in Ost-Berlin gearbeitet hatte. Diese gaben am Rande unserer Aufführungen und in einer Podiumsveranstaltung im Metropolis-Kino noch einmal Einblicke in die damalige Arbeit und Zeit. Und für uns als aktuelle Darsteller gab es den Zuspruch, dass wir uns vermutlich ganz nach dem Geschmack von Jean Weidt auf der Höhe der Zeit mit einer Fortschreibung bzw. einer zeitgenössischen Umsetzung seiner Ideen bewegen würden.
Ein umfassende Besprechung des Stückes bzw. zum Projekt findet sich übrigens hier auf http://www.tanznetz.de
Schließlich ist noch zu erwähnen, dass die Kombination mit der Ausstellung von Nele und Lauritz Lipp, durch die die Zuschauer vor der Performance geleitet wurden, absolut schlüssig war. Gerade für die Gäste, die sich bislang noch nicht mit dem Wirken von Jean Weidt und seiner Zeit beschäftigt hatten, war dies natürlich enorm hilfreich für die Orientierung im künstlerischen Kontext, und auch für vorbereitete Besucher fand hier eine angemessene Einstimmung auf die surrealistische Atmosphäre für „Die Zelle“ statt.
Ich selbst war dann auch freudig erstaunt, wie die fiktiv-autobiographischen Texte, die ich zu Weidts Reisestationen im Exil in der Zeit des nationalsozialistischen Regimes eingesprochen hatte, nun in einer interaktiven Installation präsentiert wurden.
Für die vertiefende Beschäftigung mit dem Leben und des Schaffens Jean Weidt sei hier noch das aktuell zum Projekt erschienene Buch der Tanzwissenschaftlerin Nele Lipp empfohlen: http://www.athena-verlag.de
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