Mittwoch, 21. Januar 2009

Forum: Contemplative Dance



ab Mitte Februar Freitags 19 Uhr im Studio Zedernhain 


Nach einer längeren Phase der Beschäftigung mit dieser Idee möchte ich nun zum Frühjahr hin schließlich eine Projekt- oder Studiengruppe ins Leben rufen, die sich an einer sehr klaren Schnittstelle ausprobiert: 

neben meiner Praxis im hiesigen zeitgenössischen Tanz faszinieren mich auch Phänomene wie Butoh und die tiefgründigen Erkenntnisse von Taiji, Qigong und Meditation, denn die fernöstlichen Systeme beherbergen eine Reihe fundamental andere Sichtweisen und Erfahrungsmöglichkeiten, als das westliche Tanzverständnis. 

Individuell habe ich schon lange mit der Synthese aus Taiji und Tanzimprovisation experimentiert, jedoch keine verallgemeinernde, mit einer Gruppe teilbare Technik oder Praxis entwickelt, die es erlauben würde, einen (Bühnen-)Raum mit einem vielseitigen Performance-Stil zu füllen.


Das anzulegende „Forum“ soll ein Start sein, in einem überschaubaren Zeitraum bis zunächst Ende April mit Tanzinteressierten einen ausgerichteten Erfahrungs- und Trainingsrahmen auszuprobieren und in Austausch zu kommen. 



Dazu hier noch ein Auszug aus dem Flyer ....

(...oder weiterlesen unter "Ursprung und Perspektiven von Contemplative Dance")



Contemplative Dance beschreibt den Ansatz, die Sichtweisen und performative Ästhetik von westlicher und fernöstlicher Hemisphäre in Austausch treten zu lassen und auf zeitgenössischem Niveau zu erproben. Unter Heranziehung diverser Aspekte aus der Tanzimprovisation, Release-Technik, Tanz-Dramaturgie, Contact Improvisation sowie dem Taiji und Butoh werden wir im Forum folgenden Fragen nachgehen: 


Wie kann eine Balance von Selbstwahrnehmung und Ausdrucksfähigkeit im eigenen Tanz entwickelt werden? 


Wie entfaltet sich die konzentrierte Atmosphäre von unabgelenkter Beobachtung und gleichzeitiger Performance-Aktivität? 


Wie können wir zielgerichtete Erfahrungsmomente schaffen und eine adäquate tänzerische Sprache dafür hervorbringen? 


Kontemplation als ein Zustand von umfassender Präsenz in Schau und Aktion kann entstehen, wenn geistige und körperliche Klarheit durch die Regulierung von innerer und äußerer Bewegung geschaffen wird - denkender Körper und tanzender Geist! 


Leitung:   Ralf M. Ze 

(unterrichtet seit 1999  Qigong und Taiji, auch in den Formen mit Schwert, Fächer und Säbel. Als Tänzer und Performer vertraut mit diversen Bühnenprojekten und dem asiatischen Tanztheater. Als Choreograph und Tanzdramaturg engagiert in Schul- und Jugendprojekten, u.a. „Profilklasse Tanztheater“ und „Podium ID - Tanz und Philosophie in der Oberstufe“)


Anmeldung:   040 - 23 555 969 oder zedernhain.arts@yahoo.de 


Der hier angebotene Rahmen für das Experimentieren mit Contemplative Dance ist als Forum angelegt, d.h. es gibt temporäre Anleitung und zielgerichtete Begleitung der Gruppe, zugleich besteht auch Freiraum für eigenständiges Ausprobieren und die Notwendigkeit zur Beteiligung am Entwicklungsprozess. Da es sich also eher um eine Projektgruppe und nicht um einen herkömmlichen Kurs handelt, wird auch keine Unterrichtsgebühr erhoben, sondern nur eine monatliche Pauschalsumme zur Deckung der Raumkosten im Studio Zedernhain.





Ursprung und Perspektiven von Contemplative Dance



Als Begriff taucht Contemplative Dance vermutlich zuerst bei Barbara Dilley auf, die in den 1960er Jahren in der Kompanie von Merce Cunningham tanzte und in New York der experimentellen Avantgarde des Judson Church Theatre sowie der Grand Union um Steve Paxton, Trisha Brown, Yvonne Rainer etc. angehörte. Seit den 70er Jahren brachte sie die Tanzimprovisation mit Erfahrungen aus der buddhistischen Meditation zusammen, wurde Direktorin des Naropa-Instituts (Universität in Boulder, Colorado) und später Leiterin des dortigen Dance-Departments.


Barbara Dilley entwickelte eine Praxis, der von ihr in der Tanz-Szene beobachteten Anstrengung (Struggle), der Konkurrenz und dem Erfolgsdruck (Push) eine ‚nicht aggressive Kunst‘ entgegenzusetzen: durch Meditation stabilisiert sich eine akzeptierende, wertschätzende Haltung, so wird ‚Achtsamkeit kultiviert‘ und auf sinnlicher Ebene ‚Kinesthetic Delight‘ erfahrbar.


„Eine der wichtigsten Vorstellungen aus der Meditation ist, `den Geist mit Raum zu vermischen`. Bei der Improvisation hatte ich das Gefühl, den Körper mit dem Geist zu vermengen. Diese beiden Aktivitäten waren für mich also ähnlicher Natur: der Raum, in dem die Bewegungen geschehen und der Raum, in dem sich Geist und Gedanken bewegen. Ich war von der Möglichkeit fasziniert, beide Energien - geistige Achtsamkeit und körperliche Aktivität - zusammenzuführen.“ (B. Dilley)


Das Konzept von Contemplative Dance, die Idee, westliche und östliche Ansätze von Tanz-Philosophie und Performance-Ethik in Austausch zu bringen, möchte ich aufgreifen und auf dem Niveau unserer Erfahrung weiter vertiefen. Denn in den fernöstlichen Bewegungssystemen wie Taiji und Qigong finden sich enorme energetische und kinesthetische Potenziale, die nach wie vor in ihren kulturell-tradierten Formen gebunden und auf Gesundheitspflege und Kampfkunst reduziert sind, aber kaum in freier künstlerischer Entfaltung (z.B. im Tanz) genutzt werden. Andersherum verliert sich der zeitgenössische Tanz des Westens oft in postmoderner Fragmentierung und Orientierungslosigkeit und findet keinen Zugang zu lebenswerten, Sehnsucht heilenden, sinnstiftenden Sichtweisen. Hier kann eine Verständigung fruchtbar sein.